Vom 21.-23. November 2014 fand unter dem Motto "Mehr Biss. Grün" die 38. Bundes-delegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen in Hamburg statt. Aus dem KV Böblingen waren 4 Delegierte in Hamburg vertreten: Franziska Deutschle (Herrenberg), Jörg Hamm (Sindelfingen), Peter Rößler (Böblingen) und Maria Rapp aus Waldenbuch. Nach einer entspannten und streikfreien (!) Anreise mit der Bahn, ging es sofort zur Konferenz in die Sporthalle, die trotz norddeutschem Schmuddelwetter mit Nieselregen und dichtem Nebel gut zu finden war.

Am Freitag abend wurden umfassend und tiefgründig die großen Themen Freiheit und Selbstbestimmung diskutiert und ein grüner Freiheitsbegriff definiert. Dazu gehört, dass es keine Freiheit ohne Verantwortung gibt. Und dass ein "Freihandelsabkommen" die nationale Gesetzgebung nicht umgehen darf. Ministerpräsident Kretschmann sprach sich für eine soziale und ökologische Marktwirtschaft aus, wobei die Politik einen ökologischen Ordnungsrahmen setzt, in dem die Menschen sich dann frei entfalten können.

Ein langes Programm wartete am Samstag auf die Delegierten. Eine Menge zu sagen gab es zum Thema: Gutes Leben: Grüne Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik. Erneut machten die Grünen deutlich, dass sie gegen Massentierhaltung und für eine artgerechte Haltung von Tieren sind. Einige Sprecher machten auf den ausufernden Einsatz von Antibiotika in der Tiermast aufmerksam. Dies führt u.a. auch dazu, dass immer mehr Bakterien gegen viele Antibiotika resistent werden und damit schließlich zur Unwirksamkeit dieser Medikamente - auch für den Einsatz beim Menschen. Nach der Energiewende werden sich die Grünen nun für die Agrarwende einsetzen. Sie stellen auch heute schon Landwirtschaftsminister in 6 Bundesländern.

Mit Spannung wurde die Rede von Winfried Kretschmann zum Thema: Humane Flüchtlingspolitik erwartet. In seiner Rede konnte er deutlich machen, dass sein "Ja" zum Asylkompromiss auch mit vielen Verbesserungen für die Asylsuchenden einhergeht, z.B. wird die Arbeitsaufnahme erleichtert und die Residenzpflicht entschärft. Dem Leitspruch "Wer von anderen Kompromisse erwartet, muss auch selbst welche machen" folgte die große Mehrheit der Delegierten. Vertreter der grünen Jugend drückten ihren Protest schweigend in Plakaten aus. Am Ende wurde Kretschmann mit langanhaltendem, stehenden Applaus gewürdigt.

Einem schmerzhaften Kapitel der grünen Parteigeschichte widmete sich der Dringlichkeitsantrag über Aufarbeitung der Pädophilie-Debatte aus den 1980er Jahren. Simone Peter machte klar, dass die Grünen Verantwortung für die eigene Geschichte übernehmen, auch wenn die verstörenden Beschlüsse nur von Einzelnen vertreten wurden und schon lange keine Geltung mehr haben: sie waren zu keinem Zeitpunkt akzeptabel.

Am Sonntag endete die Konferenz mit einer leidenschaftlich geführten Debatte über die Außen- und Sicherheitspolitik. Zwar waren sich alle über das Ziel einig, kriegerische Konflikte wie bei ISIS nicht zu tolerieren. Bei den Methoden gingen die Meinungen jedoch weit auseinander. Parteichef Cem Özdemir konnte sich mit seiner Überzeugung für Waffenlieferungen an Kurden nicht durchsetzen. Allerdings wurden sie auch nicht kategorisch abgelehnt. Ausdrücklich wird die Gewissensentscheidung der Bundestagsabgeordneten respektiert.

Damit endeten drei anstrengende, aber außerordentlich interessante Tage in Hamburg mit einem versöhnlichen Abschluss.

Dr. Maria Rapp